0033-D-DBV-AK Software-Stahlbetonkragstütze nach DIN EN 1992-1-1 mit NA – Allgemeines Verfahren

Bert Ziems |   Bert Ziems | Ria Tautz | David Krybus | Alexander Meierhofer



Klasse Normenbasiertes Verifikationsbeispiel
Tragwerkstyp Sonderbauteil
Mechanik Statik-Theorie II. Ordnung
Materialgesetz elastisch-plastisch
Baustoff Beton, Stahlbeton, Spannbeton
Nachweisformat Tragfähigkeitsnachweis (GZT)
Norm DIN EN 1992
Status
veröffentlicht am 31.08.2021 und qualifiziert am 22.12.2023

D1.1 Aufgabenstellung

Die hier untersuchte Stütze entspricht Beispiel 10 aus [1] und ist bereits Gegenstand von EvaDat Beispiel 0025 mit einer Bemessung mit dem Nennkrümmungsverfahren.
Hier soll nun die Tragfähigkeit nach dem Allgemeinen Verfahren für Normaltemperatur  (geometrisch und materiell nichtlineare Berechnung) nach DIN EN 1992-1-1/NA:2015-12 und DIN EN 1990/NA:2012-12 nachgewiesen werden.
Um die die zunächst beobachteten großen Streuungen der Bemessungsergebnisse auf die wirklich verfahrensbedingten einzuschränken, erwies sich der Vergleich der im GZT ermittelten Verformungen mit einer gegebenen Bewehrung und die Konzentration auf 2 Lastkombinationen als geeignete Herangehensweise. Durch die Verwendung einer gegenüber Beispiel 10 deutlich geringeren Bewehrung nahe dem für die Tragfähigkeit notwendigen Minimum, ergaben sich deutlich wahrnehmbare Effekte aus Theorie 2. Ordnung. In einer zweiten Variante wird die versteifende Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen berücksichtigt.

D1.2 Theoretische Grundlagen:

Es steht eine große Palette von nichtlinearen Verfahren mit unterschiedlichen Ausführungsvarianten zur Verfügung, wie in [4] Kapitel 1.5 zusammenfassend dargestellt. In [3], Kapitel 3.4.2.2 wird dazu festgestellt, das bei Verwendung von Softwareprogrammen mit numerischer Berechnung schlanker Druckglieder variierende Berechnungsergebnisse auftreten können. Deshalb ist eine sorgfältige Betrachtung der Randbedingungen und Annahmen unabdingbar.

Nichtlineares Materialmodell:
Nach [3] kann das nichtlineare Verfahren nach DIN EN 1992-1-1 Kapitel 5.7 (globaler Sicherheitsbeiwert γR) bei Stützen, die stark von Verformungen abhängen, zu unwirtschaftlichen Bemessungsergebnissen führen und wird daher für dieses Beispiel nicht betrachtet. Statt dessen wird das Verfahren nach
DIN EN 1992-1-1 Kapitel 5.8.6" verwendet. In seiner Erweiterung nach DIN 1992-1-1/NA, in [4]  das  "Modifizierte allgemeine Verfahren nach DIN EN 1992-1-1 Kapitel 5.8.6" genannt, hat es sich als das für Druckglieder am besten geeignete Verfahren erwiesen. Deshalb soll es auch bei den Vergleichsrechnungen dieses Beispieles angewendet werden. Da es  nur zur Schnittgrößenermittlung geeignet ist, wird ein anschließender Nachweis der Querschnittstragfähigkeit erforderlich (doppelte Buchführung).

Zugversteifung:
Nach DIN EN 1992-1-1 Kapitel 5.8.6 darf eine Zugversteifung berücksichtigt werden, ohne dass nähere Angaben zur Vorgehensweise gemacht werden. Aus der Literatur sind zwei grundsätzliche Vorgehensweisen bekannt, einmal über eine modifizierte Spannungs- Dehnungslinie des Betonstahles nach [5] bzw. eine modifizierte Spannungs- Dehnungslinie des Betons nach [6]. Vorzugsvariante in diesem Beispiel ist die Berücksichtigung über eine modifizierte Spannungs- Dehnungslinie des Betonstahles.

Kriechen:
Zur Berücksichtigung des Kriechens stehen ebenfalls mehrere Verfahren mit unterschiedlichem Näherungsgrad zur Verfügung, Neben der in DIN EN 1992-1-1 Kapitel 5.8.6 genannten Berücksichtigung über die mit (1+φeff) verzehrte Betonarbeitslinie sind der Ansatz einer Kriechvorverformung nach Westerberg [2] oder der Ansatz von aus Kriechumlagerungen ermittelten Vorkrümmungen [7] bekannt. In den Vergleichsrechnungen soll vorzugsweise das Verfahren nach Westerberg angewendet werden.

 

Zusammenfassung der getroffenen Annahmen:

(1) Die Schnittgrößen nach Theorie 2. Ordnung
Spannungs- Dehnungs- Linie für Beton nach Gl. 3.14 mit Bemessungswerten, nach DIN EN 1992-1-1/NA dürfen abgeminderten Mittelwerte verwendet werden
(
\frac{fcm}{\gamma c}, \frac{Ecm}{\gamma cE })
Spannungs- Dehnungs- Linie für Betonstahl nach 3.2.7 Bild 3.8 mit Bemessungswerten
(fyd,\frac{ftk}{\gamma s})

(2) Tragfähigkeit am Querschnitt:
Für den Schnittkraftzustand am Ende der Iteration wird geprüft, ob die Beanspruchung des Querschnitts auch mit den Spannungs- Dehnungs- Linien mit Bemessungswerten nach 3.1.7 für Beton und 3.2.7 für Betonstahl aufgenommen werden kann, dies jedoch ohne Berücksichtigung der Zugversteifung.
(fcd, fyd,\frac{ftk,cal}{\gamma s})

 

(3) Kriechvorverformung nach Westerberg [2]:
Hierzu geht man von einer idealisierten Lastgeschichte aus. Zuerst werden ständige Lasten F
perm angebracht (B).
Die Zunahme der Verformungen (B \rightarrow C) unter ständiger Beanspruchung wird durch die Abminderung des Elastizitätsmoduls erreicht, in dem alle Dehnungswerte des Betons im Spannungs-Dehnungs-Diagramm mit dem Faktor (1+ \varphi) multipliziert werden. Die Vorverformung v0 ergibt sich aus der Differenz der Verformungen mit und ohne Kriecheinfluss und stellt den Ausgangspunkt (E) für die Berechnung mit Bemessungslastfällen dar. Die Berechnung erfolgt iterativ, getrennt für jede Lastfallkombination.

 

...

 

(4)  Zugversteifung mit modifizierter Spannungs- Dehnungslinie des Betonstahls [8] (Bild H5-11 bzw. H5-12).
- Betonzugfestigkeit:

Die Zugversteifung wird über das Verhältnis der Stahlspannung aus äußerer Last  zu der aus Rissschnittgrößen bestimmt. Dabei wird es für die Bestimmung der Risschnittgrößen auch im GZT als ausreichend angesehen, die Zugfestigkeit mit fctm anzunehmen, weil die Verformungsermittlung als  Integration von an vielen Schnitten ermittelten Krümmungen erfolgt und somit einzelne Schwachstellen mit geringerer Festigkeit keine gravierenden Auswirkungen haben.
- Faktor ßt= 0,4 für eine einzelne, kurzzeitige Belastung
- Faktor δd= 0.8 für hochduktilen Stahl B500 B

(5) weitere Annahmen:

- Die Berechnungen am Querschnitt werden mit den Bruttoabmessungen des Betonquerschnitts durchgeführt.
- Das Stützeneigengewicht wird kontinuierlich als Linienlast in Achsrichtung eingetragen

- Reduzierte Teilsicherheitsbeiwerte für Fertigteile werden nicht verwendet.

 

D1.3 System:

Die Stütze befindet sich in einem 3-feldrigen ebenen Hallenrahmen. Der Rahmen wird durch 4 Kragstützen und 3 auf diesen gelenkig aufgelagerten Einzelbindern gebildet. Die betrachtete Stütze ist dabei eine der beiden Randstützen.
 

 

Die Rahmenwirkung wird nur für die horizontal einwirkende Windlast durch den Ansatz vorab ermittelter Koppelkräfte am Stützenkopf berücksichtigt. Zusätzlich werden für die Vertikallasten horizontale Stützkräfte angesetzt, welche die Stützenkopfverschiebungen infolge der exzentrischen Lasteinleitung am Stützenkopf kompensieren (Symmetrie der Verformung).

Die Randstütze wird für den Nachweis als Einzelstütze als elastisch eingespannte und in Hallenquerrichtung einachsig beanspruchte Kragstütze modelliert.
Als Stützenhöhe wird die Höhe der Binderauflager über OK Fundament angenommen (lcol = 6,20 m). Der Überstand wird durch den Ansatz entsprechender Lasten aus Eigengewicht und Wind berücksichtigt.

 

Eine Fundamentverdrehung wird in [1] näherungsweise über eine Vergrößerung des Knicklängenbeiwertes auf ß=2,1 (anstatt ß=2,0) berücksichtigt. Dies entspricht einer elastischen Einspannung am Fußpunkt mit einer Drehfeder C\varphi= 340000 kNm.

 

Querschnitt:              Rechteck                    450 x 400 mm
Bewehrungsabstand  d1 = 38 mm

Kriechen:     

Nach EN 1992-1-1 Anhang B ergibt sich für den Beton C30/37, die wirksame Dicke des Querschnittes, ein Belastungsalter von 28 Tagen, eine Luftfeuchte von 50% sowie einen Zement der Klasse N eine Kriechzahl von ϕ= 2.33.
Wegen der Übereinstimmung bei den Annahmen für dieses Beispiel wird mit

D1.4 Material

Beton              C30/37            Ecm = 33000 N/mm2    fcd = 17 N/mm2
Betonstahl       B500B             fyk   = 500 N/mm2       fyd = 435 N/mm2

D1.5 Einwirkungen

Ständige Einwirkungen (\gammaG = 1.35)

Gk1      ständige vertikale Auflagerlast Binder
            Vertikallast am Binderauflager          ey = 10,0 cm   VGk,1 = 400 kN
            H-Last in Höhe Binderauflager (siehe 1.3)               HGk,1 = 9,67 kN

Gk2      Eigengewicht Stütze + Überstand
            Eigengewicht kontinuierlich über Stützenhöhe         vGk,2 = 4,5 kN/m
            Eigengewicht Überstand am Kopf     ey = -14,0 cm  VGk,3 = 3,2 kN

 

Veränderliche Einwirkungen (\gammaQ =1.5)

QSk      Schnee           y0= 0.5 (Orte bis 1000 m über NN)
vertikale Auflagerlast Binder              ey = 10 cm      VQk,s = 68 kN
H-Last in Höhe Binderauflager          (siehe 1.3)       HQk,s = 1,64 kN

QWk     Wind (Windzone IV)   y0 = 0.6, Druck und Sog wirken alternativ

  • horizontale Linienlast über die Stützenhöhe

Sog:    wk,s = -1,85 kN/m
Druck: wk,d = 4,32 kN/m

  • Randmoment und Randlast aus Überstand h = 1,90 m

Sog:    Hw,k,s= -3,5 kN
            Mw,k,s= -3,33 kNm
Druck: Hw,k,d= 8,20 kN
            Mw,k,d= 7,8 kNm

  • Koppelkraft (siehe 1.3)

Sog:    Fh,k,S= 2,22 kN
Druck: Fh,k,d= -13,74 kN

  • Imperfektion:
    entsprechend [1] ergibt sich mit dem Beiwert für die Stützenlänge\alpha h= 2/\sqrt[]{l}=0.803 
    und mit m=4 gekoppelten lastabtragenden Stützen\alpha m= \sqrt{0.5* (1+1/m)}= 0.79
    eine Schiefstellung   \theta i= \frac{1}{200}*0,803*0,79=\frac{1}{315}  und damit eine ungewollte Ausmitte am Stützenkopf von  ei= \theta i* l0/2= 1300/(2*315)=2,1 cm   

Kriechwirksames Lastniveau      

  quasi-ständige Einwirkungskombination

 

 

 


[1] Deutscher Beton- und Bautechnik- Verein E.V., Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E. V.: Beispiele zur Bemessung nach Eurocode 2. Band 1: Hochbau.: Ernst & Sohn 2011.; mit Korrekturen Juni 2012, Berlin: Ernst & Sohn 2021, 2. Auflage.

[2] Bo Westerberg, Second order effects in slender concrete structures, Stockholm: Betongbyggnad 2004.

[3] Prof. M. Empelmann, Prof. O. Fischer, M.Sc. Jonas Cramer, M.Sc. Henke, Berechnung von Druckgliedern mit nichtlinearen Verfahren, in: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V. - DAfStb (Hrsg.) DAfStb Heft 630, Beuth Verlag, 2018.

[4] Prof. Carl-Alexander Graubner; Dominik Müller, M.Sc.; Prof. Günter Rombach; Dipl.-Ing. Jochen Zeier , Schnittgrößenermittlung unter Berücksichtigung nichtlinearen Materialverhaltens, in: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V.- DAfStb (Hrsg.) DAfStb Heft 631, Beuth Verlag, 2019.

[5] Hegger, Fingerloos, Ignatiadis, Erläuterungen zu DIN EN 1992-1-1 und DIN EN 1992-1-1/NA, in: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton - DAfStb e.V. (Hrsg.) DAfStb Heft 600, Beuth Verlag, 2020, 2. Auflage.

[6] U. Pfeiffer (Dissertation), Die nichtlineare Berechnung ebener Rahmen aus Stahl- oder Spannbeton mit Berücksichtigung der durch das Aufreißen bedingten Achsendehnung , Cuvillier Verlag , 2004.

[7] U. Quast, Lineares oder nichtlineares Kriechen bei Druckgliedern, in: Beton- und Stahlbetonbau Heft 10 (2004).

[8] Fingerloos, Hegger, Ignatiadis, Kapitel 5.7 nichtlineare Verfahren, in: Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V. - DAfStb (Hrsg.) DAfStb Heft 600 Teil 1: Erläuterungen zu DIN EN 1992-1-1 und DIN EN 1992-1-1/NA, Beuth, 2020, 2. Auflage.

 

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